Lied Vom Tod Songtext

Hannes Wader

von Nah Dran

Lied Vom Tod Songtext
Über Sterblichkeit zu reden, gilt für viele als Tabu.
Ich gehe dem nicht aus dem Weg, äussere mich dazu.
Dass ich mich vor dem Sterben fürchte, kann ich so nicht sagen.
Vielleicht ja, ich weiss es nicht, fühle mich jetzt grad nicht bedroht.
Habe auch keine Zeit für Ängste, suche auf ganz andre Fragen
Antworten. Und jetzt singe ich euch mein Lied vom Tod.

Nein, ich will euch noch nicht verlassen.
Doch mich mit der Endlichkeit
mal gedanklich zu befassen,
wird für mich so langsam Zeit.

Nehmen wir mal an, ich würde - so wie Gunter Sachs - dement,
müsste ich den Mut aufbringen, den entscheidenden Moment,
mir die Kugel zu geben, nicht noch so weit rauszuschieben,
dass ich es vergesse. Zwar wäre mir dann alles egal,
doch die Verantwortung, die Sorge um mein Wohlergehn, sie blieben
an meiner Familie hängen und am Pflegepersonal.

Dass man sich die Glock 17 tief in den Rachen schiebt,
ist als Suizid-Methode weit verbreitet und beliebt.
Durch die Nase atmen, Lippen um den Lauf geschlossen.
Robespierre, zum Beispiel, hat mit 'nem schlampig aufgesetzten Schuss
glatt sein Hirn verfehlt und sich den Unterkiefer weggeschossen.
Wurde ohne Kinn geköpft, voll bei Bewusstsein bis zum Schluss.

Nein, ich will euch noch nicht verlassen.
Doch mich mit der Endlichkeit
mal gedanklich zu befassen,
wird für mich so langsam Zeit.

Wollen wir uns meine inneren Organe kurz ansehn.
Zum Teil noch gut erhalten, was soll damit mal geschehn?
Super Leberwerte, hänge auch nicht mehr so an der Pulle
wie früher. Schade, war irgendwie doch auch 'ne schöne Zeit.
Herz und Kreislauf, meint der Doktor, wie ein junger Bulle.
Sterbe sicher mal gesund, aber noch ist es nicht so weit.

Habe vierzig Jahre lang achtzig Gitanes am Tag geraucht.
Schwarz, filterlos auf Lunge, die hat nicht mal lang gebraucht,
sich zu erholen, seit ich clean bin, weil ich wohl als Sänger
schon von Haus aus reichlich Puste habe. Könnte aber sein,
dass Spätfolgen nicht auszuschliessen sind. Leb' ich dann länger,
kriege ich vielleicht mit hundertdreissig noch ein Raucherbein.

Ihr meint bestimmt, der ruft doch, gibt er weiterhin so an,
damit nur kriminelle Organhändler auf den Plan.
Nichts ahnend machst du abends - alles schon vorgekommen -
bei 'ner Rentnerparty - Rock am Stock - noch kräftig einen drauf,
wachst am nächsten Morgen mit 'nem Filmriss und total benommen
in 'ner Badewanne voller Eis ohne Nieren wieder auf.

Nein, ich will euch noch nicht verlassen.
Doch mich mit der Endlichkeit
mal gedanklich zu befassen,
wird für mich so langsam Zeit.

Egal auf welchem Friedhof, soll mein Name auf dem Stein
über meiner letzten Ruhestätte eingemeisselt sein.
So, wie die Menschenmassen mit ihren Blumengebinden
zu Jim Morrison pilgern, oder zu Elvis Presleys Grab,
sollen meine Fans auch meine Gruft jederzeit wieder finden,
noch Jahrzehnte, nachdem ich den Löffel abgegeben hab.

Habe zwar mein Leben lang politisch links gedacht, und doch
trete ich ganz zum Schluss, in meiner Todesstunde noch
der NPD bei. Ich will in meinen letzten Sekunden
noch das Triumphgefühl auskosten, dass ich jetzt eben grad
als einer von diesen rechtsradikalen Schweinehunden
abkratze, und nicht als aufrechter linker Demokrat.

Nein, ich will euch noch nicht verlassen.
Doch mich mit der Endlichkeit
mal gedanklich zu befassen,
wird für mich so langsam Zeit.

Statt sang- und klanglos abzutreten, könnte ich mit einem Knall
die Tür zuschlagen. Hab' mich auch bei Al-Quaida für den Fall
um 'ne Festanstellung bemüht als Selbstmordattentäter.
Die Absage könnte auch gut von einem deutschen Unternehmen sein:
"Leider stellen wir zu keinem Zeitpunkt, weder jetzt noch später
Selbstmordattentatsbewerber über fünfundfünfzig ein."

Habe all die Probleme, anstatt sie zu lösen, nur gestreift.
Lose Gedankenfetzen, zu keinem Entschluss gereift.
Fragen sind hier nicht beantwortet. Themen nur angerissen,
die Zeit vergeht, und mir bleibt nur noch eine gewisse Frist,
um zu regeln, was zu regeln ist. Gesichert nur das Wissen,
dass mein Lied vom Tod hiermit wohl noch nicht zu Ende ist.

Nein, ich will euch noch nicht verlassen.
Doch mich mit der Endlichkeit
mal gedanklich zu befassen,
wird für mich so langsam Zeit.


(Dank an Gerhard für den Text)