Wenn Der Senator Erzählt Songtext

Franz Josef Degenhardt

von Mehr Songtexte

Wenn Der Senator Erzählt Songtext
Ja, wenn der Senator erzählt. Das ist der, dem das ganze Wackelsteiner Ländchen gehört und alles, was darauf steht. Wie der angefangen hat: Sohn eines Tischlers, der war schon 40 Invalide, alle Finger der rechten Hand unter der Kreissäge. Mit fünf Jahren schon ist der Senator jeden Tag von Wackelrode nach Hohentalholzheim gelaufe, zwölf Kilometer hin und zwölf Liometer zurück. Und warum? Weil in Wackelrode ein Liter Milch zweieinhalb Pfennig gekostet hat, in Hohentalholzheim aber nur zwei Pfennig, und diesen halben Pfennig durfte der Bub behalten. Das hat er auch getan, zehn Jahre lang - von Wackelrode nach Hohentalholzheim, von Hohentalholzheim nach Wackelrode. Und nach zehn Jahren, da hat sich der Senator gesagt: "So" Hat das ganz Geld genommen, ist hergegangen und hat das erste Hüttenwerk auf das Wackelsteiner Ländchen gestellt. Ja, wenn der Senator erzählt. Dann 14/18, der Krieg. Und hinterher, da hat sich der Senator gesagt: "So, jetzt ist der Krieg verloren, was ist dabei rausgekommen? Gar nichts." Und dann hat er sein Geld genommen und Grundstücke gekauft. Hier eins, da eins. und dann kam die arbeitslosigkeit, dann Adolf. Ja, und 34, da gehörte ihm praktisch das ganze Wackelsteiner Ländchen. Und dann hat er noch ein Hüttenwerk auf das wackelsteiner Ländchen gestellt. Das waren dann schon zwei, das alte Wackelsteiner Hüttenwerk und das neue Wackelsteiner Hüttenwerk. Und mitten im Krieg, in schwerer Zeit, hat er noch ein Hüttenwerk auf das wackelsteiner Ländchen gestellt. Ja, wenn der senator erzählt. Und dann 45, ausgebombt, demontiert. Da hat sich der Senator gesagt: "So, der Krieg ist verloren. Was ist dabei rausgekommen? Gar nichts." Und er war froh, dass er wenigstens noch das Wackelsteiner Ländchen hatte und seine treuen bauern; hier einen Schinken, dort einen Liter Milch. Und so konnte man ganz allmählich wieder anfangen. Aber dann 48, Währungsreform. Da stand der Senator wie jeder von uns da, mit vierzig Mark auf der hand. Und was hat er damit gemacht? Etwa ein viertes Hüttenwerk auf das Wackelsteiner Ländchen gestellt? Nein. Auf den Kopf gehauen in einer Nacht. Und als er dann morgens auf der Straße stand, neblig war´s und kalt, da musste der Senator plötzlich so richtig lachen. Er hatte eine gute Idee: "Wie wäre es", sagte sich der Senator, "wenn man aus dem Wackelsteiner Ländchen ein Ferienparadies machen würde?" Gesagt, getan. Verkehrsminister angerufen - alter Kumpel aus schwerer Zeit. Ja, und dann ist aus dem Wackelsteiner Ländchen das Wackelsteiner Ländchen geworden, wie es heute ein jeder kennt. Und dann hat der Senator noch ein Hüttenwerk auf das Wackelsteiner Ländchen gestellt. Ja, wenn der senator erzählt. Aber dann wird er traurig, der senator. "Und wissen Sie was", sagt er dann, "die waren damals doch glücklicher, die Leute. Wie ich angefangen habe: Sohn eines Tischlers, der war mit vierzig schon invalide, alle Finger der rechten Hand unter der Kreissäge. Mit fünf Jahren schon bin ich jeden Tag von Wackelrode nach Hohentalholzheil gelaufen, zwölf Kilometer hin und zwölf Kilonmeter zurück. Und warum?" Ja, wenn der Senator erzählt.