Hannes Wader

Gute Tage
Mein Vater ist aus dem Krieg heimgekehrt Hohlwangig, mager, doch sonst unversehrt Heiß liegt der Hochsommer über dem Land Und zum ersten Mal geh' ich an Vaters Hand durch die Felder, den Wald. Ich bin fünf Jahre alt Das Laufen macht müde, bald machen wir Halt unter einer Buche, die ist riesig groß Schwarze Wolken ziehn auf, ein Gewitter bricht los Unter Vaters feldgrauem Mantel versteckt der regendicht ist und uns beide bedeckt nach Waffenöl riecht, nach Rauch, Erde und Schweiß lache ich in die Blitze, den Donner und weiß: Um mich herum wird gleich die Welt untergehen aber ich bin geborgen, nichts kann mir geschehen Refrain: Gute Tage und Stunden. Seit langem verschwunden wie für immer im Meer des Vergessens versenkt drängen nun aus der Tiefe wieder nach oben von der Erinnerung wie Schätze gehoben werden sie mir jetzt noch einmal geschenkt Auf dem Rummelplatz. Abends. Bin eingezwängt zwischen Massen von Menschen gestoßen, gedrängt Ein Gespenst aus Pappe, das unerlöst stöhnt vor der Geisterbahn. Aus den Lautsprechern dröhnt SongtexteElvis. Lichtbänder, zuckend und grell Dann plötzlich ein Lächeln, wohl zehn mal so hell aus der Menge, die mir entgegen quillt Ein Mädchen – wem ihr Lächeln wohl gilt? Sie hebt die Hand, sie winkt, sie meint mich Sie wird fünfzehn sein, schätze ich, so alt wie ich Die Papierblume, die ich geschossen hab ergreift sie. Rasch drängen die Leute mich ab zwingen mich, in ihrem Tritt zu gehen Und das Mädchen? Ich hab es nie wieder gesehen Ich mag so um die zwanzig Jahre alt sein Ohne Geld und hungrig. Durchstreife allein bei Vollmond die Stadt und es hat mich der Duft frisch geernteter Früchte ringsum in der Luft der Geruch nach Orangen, Brot, Fisch und Anis in die Hallen gelockt, in den Bauch von Paris Berge von Äpfeln werden gebracht und ein Mann lädt ab, sieht mich, ruft etwas, lacht nimmt einen Apfel und wirft ihn mir zu und ich fange ihn, setze mich in aller Ruh den Morgen erwartend auf eine Bank Reibe den Apfel an den Hemdsärmeln blank bis er glänzt, als wenn er der Vollmond wäre hoch über der Rue du Faubourg Poissonière Aus Songtexte Mania