Klaus Kinski

Das kleine Testament
Im Jahre fünfundzwanzig meines Lebens, als ich nochsehr rüstig auf den Beinen warund durch die Landschaft fuhr, nicht etwa wie ein üblicher Scholar,der heute betteln geht und morgen schon im Lochbei Brot und Wasser brummt ... oh, nein!Villon war auch in diesem Falle zwar kein Tugendheld,doch hat er sich noch nie mit einer Pulle Weinzum Abendbrot begnügt, er nahm auch Reisegeld.In diesen fetten Erdenjahren also kammir eines Tages das Gefühl, daß ichwohl einen dicken Trennungsstricheinbrennen muß in mein Bisher und ohne GramSongtextevon manchem Abschied nehmen muß, was sehr nettund friedlich war. Es hat ja keinen Sinn,daß man in jedem Winkel gleich sein Bettaufschlägt und sich den Sauerkohl rasiert vom Kinn.Ich habe wirklich allen Grund,die alte Liebe endlich abzubauen.Nur ihretwegen hat mich ein verfluchter Hundmit seinem Säbel grün und blau gehauen.Ich habe mich gewehrt und biß ihm flottdie Nase ab. Doch sie, die hinterlistige Marie,lag hinterm Busch und lachte sich kapott.Ich habe jetzt für alle Zeit genug von ihrund fordere Gerechtigkeit,ich bin noch lange nicht ihr Trampeltier,auch wenn sie nächtelang nach meiner Liebe schreit.Die wieße Larve lügt, wenn sie mich küßt,und wenn ich glaube, daß sie mich mit ihrer Liebe meint,schmeckt ihr Gebiß schon längst ein anderes Gelüstund denkt: das ist doch gar nicht so gefährlich, wie es scheint.Verdammt! Sie hat mich dem Gerichtverraten um ein Silberstück.Die Narbe quer durch mein Gesicht,verdank ich ihr, und kann von Glücknoch sagen, daß ich nicht das Augenlicht dabei verlor.Wer weiß, ob morgen nicht mein Frühstücksweinmit Gift veredelt ist, damit ich Torherniederfahr zu Wurm und Stein.Was bleibt mir andres noch zu tun,als abzureisen Knall und Fall,vielleicht erblüht mir bald ein neues Huhnin einem Bauernstall,vielleicht auch reise ich mit einem Ruderbootnach Samarkandund nähre mich mit Affenbrotund werde Elefant.Ich habe zu den wilden Tieren immer schonmich hingesehnt, ich habe, als der Herr mich schufaus einem grauen Haufen Ton,vielleicht den Sammelrufder Dromedare überhört, als Löwe hätte ich wahrscheinlich längstmein Glück gemacht im Mohrenlandund fräße nur das Herz von einem Steppenhengstund hätte immer neue Freuden an der Hand.Zum Beispiel einen grünen Wiesenstrichmit Kletterbäumen, leichter als der Wind.Und mit den weißen Wolken flöge ichso hoch, wie die Gestirne sind.Auch in den Flüssen lebt es sich nicht schlecht,mit nacktem Leib so braun wie Wachs,da möcht man sein ein schlanker Hechtein Haifisch oder besser noch ein Lachs.Die Menschenart hat sicher ein Jahrtausend noch.Dann klafft ein großes Hungerlochund nichts bekommt man mehr für Geld.Auch die Dukaten, die der Staatauf meinen Kopf hat ausgesetzt,es lohnt nicht, daß man für das bißchen Drahtauf meine Spur die scharfen Hunde hetzt.Es ist nur schade für die Zeit, die ihr versäumt,denn mit dem Sack, auf den ihrs abgesehn habt,hat längst der Hunger aufgeräumt.Ich war noch nie so ausgelaugt und abgeschabt,ich lobe die Kartoffeln, denn sie sindin diesem Jahr so gut geraten wie noch nie;ich freue mich, wenn sie braten, wie ein Kindund spüre kaum die Stiche in dem steifen Knie.Auf alle Fälle hat Villon sein Testament gemacht;es ist, wie schon gesagt, nicht viel, was von ihm übrig bleibt,jedoch genug, daß sich die Welt ins Fäustchen lachtund eine Schmähschrift schreibt.Das schönste Stück jedoch, mein Herz,hab ich für meine Mutter reserviert,man lege es ihr zoll- und steuerfrei so um den Hals,daß sie's in Ewigkeit nicht mehr verliert.Auch wenn mein Leib schon längst zerfressen istmit einer Schar von Würmern drin,am Ende denkt man doch:wo du nicht bist, Herr Jesus Christ,lebt man nur wie ein Vieh dahin.In diesem Sinn, ihr Freunde, gute Nacht. Aus Songtexte Mania