Die Ballade von Antonio Amadeu Kiowa Songtext

Konstantin Wecker

von Mehr Songtexte

Die Ballade von Antonio Amadeu Kiowa Songtext
Siehst as Willy, jetzt is doch scho a Zeit her, daß wir

uns as letzte Mal gesprochen habn. Vor über zwanzig

Jahren bin ich an deinem Grab gestanden und hab mei

ganze Wut rauslassen. Konnst di no erinnern, Willy,

woaßt as no?


Gestern habns an Willy daschlagn,

und heit, und heit, und heit,

heit werd a begrabn.



Lange Zeit hab ich dieses Lied nicht mehr gesungen,

Willy, und ehrlich gsagt, i hab koa rechte Lust mehr

ghabt, mich um die Politik zu kümmern. Ma braucht a

immer wieder seine Auszeiten, wo ma sich um sich

selber kümmern muß, wo ma einfach uferlos vor sich
hin leben will.



Und dann hat sich alles so überstürzt. Mit einem

Schlag sind die schönsten Utopien zerplatzt, innerhalb

von einer Nacht hat sich die ganze Welt verändert. Und

das war eine berauschende, eine wundervolle Nacht,

wie die die Mauer zerschlagen haben. Ja, Willy, du hast

schon richtig gehört, die Mauer ist weg, Deutschland ist

wiedervereinigt. Wenigstens auf dem Papier.



Aber man hat halt wieder alles falsch gemacht, was

falsch zu machen war. Unsere Flottmänner haben in

Windeseile die DDR aufgekauft, wildgewordene

Versicherungsvertreter sind wie die biblische

Heuschreckenplage über das Land hergefallen, und

unsere Politiker, diese mutierten

Gebrauchtwagenhändler, haben es wieder

fallenlassen. Und drüben will sich jetzt keiner mehr

daran erinnern, wie begeistert sie dem Kohl zugejubelt

haben, weil er ihnen wunderschöne Videorecorder

versprochen hat.



Und jetzt: Arbeitslosigkeit und eine große Leere im

Herzen. Der bunte Vogel Freiheit hat ganz schön die

Flügel gestutzt bekommen, und die Mauer zwischen

den Deutschen scheint unüberwindbarer als jemals

zuvor. Aber wer ein Volk bescheißt und betrügt, der

muß halt damit rechnen, daß es durchdreht. Und sie

drehen alle durch, Willy, du kannst dir gar nicht

vorstellen, was los ist. Deutschland brennt, Willy, und

solche wie du sind rar geworden.



Gestern habns an Willy daschlagn,

und heit, und heit, und heit,

heit fangt des ois wieder an.



Hast as schreien ghört, in Rostock, Willy, du muaßts

doch ghört habn, Ausländer, Asylanten, die Ärmsten

und Schwächsten habn sich diese Feiglinge natürlich

ausgesucht. Aber die dummen Buben waren gar nicht

das Schlimmste, sondern diese ganze feixende und

Beifall klatschende Meute, die drum rum gestanden ist.

Ja, Willy, Beifall hams geklatscht, während über

hundert Vietnamesen verzweifelt um Hilfe geschrien

haben. Und vorher in Hoyerswerda, in Hünxe und dann

in Mölln und, und, und...



Weißt du noch, wie sie damals den Staat aufgerüstet

haben gegen die RAF? Grad jetzt in München haben

sie beim Weltwirtschaftsgipfel Armeen angekarrt, um

den Staat gegen hundert Leut mit ihre Trillerpfeifen zu

schützen, aber da ging´s halt gegen hohe Politiker,

wertvollere Menschen anscheinend, weil jetzt, jetzt

macht die Polizei einen Schichtwechsel, wenn

Vietnamesen abgefackelt werden und Neger

aufgeklatscht. Abfackeln, aufklatschen, ja wo samma

denn, Willy - und glaubst du, einer unserer Politiker

hätte sich persönlich entschuldigt, nix da, als Antwort

auf diese Schweinereien haben sie versprochen, das

Asylproblem in den Griff zu bekommen - dem Mob recht

geben, nur um an der Macht zu bleiben und die

nächsten Wahlen zu gewinnen, pfui Deife, Willy, pfui

Deife!



Gestern habns an Willy daschlagn,

und heit, und heit, und heit,

heit fangt des ois wieder an.



Gestern habns an Willy daschlagn,

und heit, und heit, und heit,

heit fangt des ois wieder an.



Na, Willy, du bist schon nicht mehr allein mit deinem

Schicksal, und vielleicht habt ihr euch im Himmel drobn

sogar getroffen, der schwarze Amadeu und du, und er

hat dir seine Geschichte schon verzählt, aber trotzdem,

trotzdem muß man´s immer wieder rausschreien,

vielleicht kannst du dich an das Gedicht noch erinnern,

vom Pfarrer Niemöller:



"Als die Nazis die Kommunisten holten,

habe ich geschwiegen;

ich war ja kein Kommunist.



Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,

habe ich geschwiegen;

ich war ja kein Sozialdemokrat.



Als sie die Gewerkschafter holten,

habe ich geschwiegen;

ich war ja kein Gewerkschafter.



Und als sie mich holten,

gab es keinen mehr, der protestieren konnte."



Ja, den Amadeu, den Angolaner, den habns

daschlagn, datreten, weil er Neger war, weils ihrn Spaß

haben wollten, und drei Polizisten sind dabeigstanden

und wollten "mit dieser Gruppe nicht in Konflikt

geraten". Siehst as jetzt, wia weit ma wieder san?

"Deutschland den Deutschen", grölts durch

Eberswalde, und mit Baseballschlägern und Messern

gehts den Negern an den Kragen. Die laufen um ihr

Leben, Willy, aber oan dawischns no, und Eberswalde

schweigt dazu, denn a bisserl lästig war´ns halt doch,

die vielen Neger, und dann kreisen sie den Amadeu

ein und schubsen ihn herum, ja ma wird doch an so an

Neger noch a bissen schubsen dürfa, und der Antonio

Amadeu Kiowa versteht die Welt nicht mehr und zittert

und schreit, und Eberswalde schweigt dazu, aber

Deutschland gehört nun mal den Deutschen. Klar, sie

haben sich´s ja alle verdient, ein sauberes, ein reiches

Land, und dann ziehen sich die Glatzen Kapuzen übern

Kopf und binden sich Tücher vors Gesicht, wie im

richtigen Kino, und dann springen sie dem Amadeu mit

ihren schweren Stiefeln ins Gesicht, immer und immer

wieder. Willy, mein Gott, Willy, mir kanntn di wieder so

braucha, wir alle braucha doch oan wies du oana bist,

Willy, da muaß doch was gscheng, da müaß ma doch

was doa, alle miteinander:



Gestern habns an Amadeu daschlagn,

aber heit, aber heit, aber heit,

heit halt ma zsamm.



Gestern habns an Amadeu daschlagn,

aber heit, aber heit, aber heit, heit

halt ma zsamm.